Wie wehrt man sich gegen eine Kündigung?

Eine Kündigung trifft viele Arbeitnehmer unerwartet und wirft zahlreiche Fragen auf: Ist die Kündigung rechtens? Welche Möglichkeiten habe ich, mich zu wehren? Nicht jede Kündigung muss akzeptiert werden - oft bestehen gute Chancen, sich dagegen erfolgreich zur Wehr zu setzen. In diesem Artikel erfährst du, wie du deine Rechte wahrnehmen und Schritt für Schritt gegen eine Kündigung vorgehen kannst.

Ein Beitrag von Autor Stefan Gerth

Erste Hilfe bei Kündigung: Was du jetzt sofort tun musst

Eine Kündigung im Briefkasten oder direkt im Büro zu erhalten, ist meistens ein Schock. Doch jetzt zählt vor allem eines: einen kühlen Kopf bewahren. Im Arbeitsrecht läuft die Zeit gnadenlos - wer Fristen verpasst, riskiert die Abfindung oder den Erhalt des Arbeitsplatzes.

Die goldene Regel: Nichts unterschreiben!

Häufig reicht der Arbeitgeber mit der Kündigung zugleich einen Aufhebungsvertrag oder eine Empfangsbestätigung ein, die Klauseln wie „Ich verzichte auf Klage“ enthält.

  • Unterschreibe nichts unter Druck!

  • Du hast das Recht, jedes Dokument in Ruhe zu Hause zu prüfen oder rechtlich checken zu lassen.

  • Eine reine Empfangsbestätigung („Kündigung am TT.MM.JJJJ erhalten“) ist meist unbedenklich, aber im Zweifel gilt: Erst prüfen, dann schreiben.

Die 3-Wochen-Frist: Dein wichtigstes Zeitfenster

Dies ist der wichtigste Punkt im gesamten Kündigungsschutzprozess. In Deutschland gilt laut Kündigungsschutzgesetz (KSchG):

  • § 4 KSchG: Willst du eine Kündigung als sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam anfechten, musst du innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht einreichen. 

  • Was geschieht, wenn du die Frist verpasst? Nach drei Wochen gilt die Kündigung rückwirkend als rechtswirksam - selbst wenn sie unberechtigt war. Eine Klage kannst du dann nur noch in seltensten Ausnahmefällen einreichen.

  • Wann beginnt die Frist? Sie läuft ab dem Tag, an dem die Kündigung in deinen „Machtbereich“ gelangt - entweder bei der persönlichen Übergabe oder beim Einwurf in deinen Briefkasten während der üblichen Postzeiten.

Meldung bei der Agentur für Arbeit

Auch wenn du die Kündigung anfechten willst, sichere dich ab, damit du keine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld (ALG I) riskierst.

  • Die Frist: Du musst dich spätestens drei Monate vor Ende deines Arbeitsverhältnisses arbeitssuchend melden.

  • Kurzfristige Kündigung: Liegen zwischen der Kündigung und deinem letzten Arbeitstag weniger als drei Monate, muss die Meldung innerhalb von drei Werktagen nach Erhalt der Kündigung erfolgen.

  • Wichtig: Dies kann heute unkompliziert telefonisch oder online über das Portal der Bundesagentur für Arbeit erledigt werden.

Beweise sichern 

Sichere wichtige Dokumente, bevor man dir den Zugang zum Firmen-Account oder Büro sperrt: 

  • Kopiere relevante E-Mails, Chatverläufe und Protokolle.

  • Notiere die Namen von Kollegen, die Vorfälle bezeugen können.

  • Halte das Kündigungsgespräch in einem kurzen Gedächtnisprotokoll fest: Wer war anwesend? Was wurde genau gesagt?

Formfehler prüfen: Ist die Kündigung überhaupt wirksam?

Bevor du dich inhaltlich mit den Gründen für dein Ausscheiden beschäftigst, solltest du das Kündigungsschreiben genau unter die Lupe nehmen. Das Arbeitsrecht ist extrem streng, was die Form angeht. Ein kleiner Fehler deines Arbeitgebers kann dazu führen, dass die Kündigung bereits aus rein formalen Gründen unwirksam ist.

Die Schriftform: Papier ist Pflicht

Deine Kündigung muss zwingend auf Papier erfolgen und im Original unterschrieben sein (§ 623 BGB).

  • Keine digitale Form: Eine Kündigung per E-Mail, WhatsApp, SMS oder Fax ist rechtlich null und nichtig. Selbst ein Scan des unterschriebenen Dokuments als PDF reicht nicht aus.

  • Keine mündliche Form: „Du bist gefeuert! “ - dieser Satz im Büro bleibt wirkungslos, solange keine schriftliche Kündigung bei dir eintrifft.

Wer hat unterschrieben?

Eine Kündigung muss eine unterschriftsberechtigte Person wie den Geschäftsführer, Prokuristen oder Personalleiter unterzeichnen. Fehlt die Unterschrift oder besteht sie nur aus einem unleserlichen Kürzel, kann man das Dokument anfechten.

Spezialfall: Fehlende Vollmacht (Der sofortige "Widerspruch")

Das ist ein strategischer Trumpf, den viele übersehen. Unterschreibt jemand die Kündigung, der kein gesetzlicher Vertreter ist - etwa ein externer Anwalt oder ein Prokurist -, muss dem Schreiben eine Original-Vollmacht beiliegen.

  • Dein Recht zur Zurückweisung (§ 174 BGB): Fehlt diese Original-Vollmacht, kannst du die Kündigung unverzüglich zurückweisen.

  • Was bedeutet „unverzüglich“? Du musst schnell handeln - in der Regel innerhalb von 2 bis maximal 5 Werktagen.

  • Der Effekt: Durch die wirksame Zurückweisung wird die Kündigung sofort unwirksam. Dein Arbeitgeber muss erneut kündigen. Das verschafft dir etwas Zeit, ein weiteres Monatsgehalt oder schiebt den Kündigungstermin in einen Zeitraum, in dem du vielleicht schon neuen Schutz genießt (z. B. den Beginn der Elternzeit).

    Wichtig! Schreib deinem Arbeitgeber in diesem Fall sofort:
    "Ich weise die Kündigung vom [Datum] mangels Vorlage einer Original-Vollmacht gemäß § 174 BGB zurück."

Der Zugang: Wann ist der Brief bei dir gelandet?

Die 3-Wochen-Frist für deine Klage beginnt erst, wenn dir die Kündigung „zugegangen“ ist.

  • Einwurf in den Briefkasten: Gilt als zugestellt, wenn mit der nächsten Leerung zu rechnen ist. Ein Einwurf am späten Samstagabend gilt oft erst als Zugang am Montagmorgen.

  • Übergabe unter Zeugen: Hier zählt der exakte Moment, in dem du das Schreiben erhalten hast.

  • Einwurf-Einschreiben: Für den Arbeitgeber ist dies der sicherste Weg. Er hat einen Beleg (den Sendungsstatus), dass der Brief im Kasten gelandet ist. Vor Gericht reicht dieser Beleg in Kombination mit dem Protokoll des Postboten meist als Beweis für den Zugang aus.

    Sobald ein Einwurf-Einschreiben in deinem Kasten liegt, läuft die Uhr. Warte nicht mit dem Öffnen, denn die 3-Wochen-Frist lässt sich später nicht mit "Ich habe den Brief erst Tage später gesehen" verlängern.

Die Betriebsratsanhörung

Gibt es in deinem Unternehmen einen Betriebsrat? Dann muss dieser vor jeder Kündigung angehört werden (§ 102 BetrVG).

  • Hat der Arbeitgeber den Betriebsrat gar nicht oder fehlerhaft informiert, ist die Kündigung unwirksam.

  • Das lässt sich oft erst im Rahmen einer Kündigungsschutzklage durch eine Akteneinsicht deines Anwalts klären.

Die Kündigungsgründe im Check

Damit eine Kündigung wirksam ist, braucht dein Arbeitgeber (bei mehr als zehn Mitarbeitern und nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit) einen triftigen Grund. Diese lassen sich in vier Kategorien unterteilen:

  • Betriebsbedingte Kündigung: Sie erfolgt, wenn dein Arbeitsplatz wegen Auftragsmangel oder Umstrukturierung wegfällt. Hier muss der Arbeitgeber eine korrekte Sozialauswahl treffen und prüfen, ob nicht ein sozial schutzbedürftigerer Kollege gehen müsste.

  • Verhaltensbedingte Kündigung: Hier wirft man dir ein Fehlverhalten vor, etwa Verspätungen oder Missachtung von Anweisungen. In der Regel ist diese Kündigung nur wirksam, wenn du zuvor für ein vergleichbares Fehlverhalten mindestens eine Abmahnung erhalten hast.

  • Personenbedingte Kündigung: Sie liegt meist vor, wenn du deine Arbeit aus persönlichen Eigenschaften heraus nicht mehr leisten kannst - der häufigste Fall ist eine lang anhaltende Krankheit. Die Hürden für den Arbeitgeber sind hier sehr hoch, da er eine negative Prognose für die Zukunft nachweisen muss.

  • Besonderer Kündigungsschutz: Bestimmte Personengruppen dürfen fast gar nicht gekündigt werden. Wenn du schwanger bist, dich in Elternzeit befindest, eine Schwerbehinderung hast oder im Betriebsrat bist, ist die Kündigung ohne vorherige Zustimmung spezieller Behörden meist sofort unwirksam.

Die Strategie: Kündigungsschutzklage und Abfindung

Wenn du dich gegen die Kündigung wehrst, geht es meistens um zwei Ziele: Entweder du willst deinen Job behalten oder eine angemessene Entschädigung (Abfindung) für den Verlust erhalten.

  • Ziel der Klage: Eine Kündigungsschutzklage stellt fest, dass dein Arbeitsverhältnis nicht beendet wurde. Da das Vertrauensverhältnis oft zerrüttet ist, endet das Verfahren in ca. 80 % der Fälle mit einem Vergleich und der Zahlung einer Abfindung.

  • Die Güteverhandlung: Das Gericht setzt zunächst einen schnellen Termin zur Güteverhandlung an (meist nach 2–6 Wochen). Hier versuchen Richter, Arbeitgeber und du, eine gütliche Einigung zu finden, um einen langen Prozess zu vermeiden.

  • Abfindung berechnen: Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung, aber als Faustformel gilt: 0,5 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr. Je schwächer die Argumente deines Arbeitgebers sind, desto höher kann deine Verhandlungsposition sein.

  • Weiterbeschäftigung durch Widerspruch: Hat der Betriebsrat deiner Kündigung ordnungsgemäß widersprochen, kannst du verlangen, während des laufenden Prozesses weiterbeschäftigt und bezahlt zu werden. Dieser „Druck“ führt oft dazu, dass Arbeitgeber deutlich höhere Abfindungen zahlen, um dich nicht im Betrieb behalten zu müssen.

Kosten und Risiko: Wer zahlt den Anwalt?

Bevor du zum Arbeitsgericht gehst, kläre die finanziellen Fragen. Im Arbeitsrecht gilt eine Besonderheit, die du beachten solltest:

  • Anders als im Zivilrecht zahlt vor dem Arbeitsgericht in der ersten Instanz jede Partei ihre Anwaltskosten selbst - unabhängig davon, ob sie gewinnt oder verliert. So soll verhindert werden, dass Arbeitnehmer aus Furcht vor den hohen Kosten des Arbeitgeber-Anwalts darauf verzichten, ihre Rechte durchzusetzen.

  • Wer übernimmt deine Kosten? Wenn du eine Rechtsschutzversicherung hast, übernimmt diese nach einer Deckungszusage in der Regel alle Kosten. Auch als Mitglied einer Gewerkschaft hast du Anspruch auf kostenlosen Rechtsschutz und Vertretung.

  • Prozesskostenhilfe (PKH): Solltest du über wenig Einkommen oder Ersparnisse verfügen, kannst du staatliche Prozesskostenhilfe beantragen. In diesem Fall übernimmt der Staat die Kosten für das Gericht und deinen eigenen Anwalt, damit dein Rechtsschutz nicht am Geldbeutel scheitert.

Checkliste: Dein Fahrplan gegen die Kündigung

Wenn du eine Kündigung erhalten hast, arbeite diese Punkte der Reihe nach ab, um deine Rechte zu wahren:

  1. Ruhe bewahren: Nichts voreilig unterschreiben (insbesondere keinen Aufhebungsvertrag!).

  2. Datum notieren: Wann genau hast du den Brief erhalten oder wurde er eingeworfen? (Start der 3-Wochen-Frist).

  3. Formalien prüfen: Ist die Kündigung auf Papier? Ist sie original unterschrieben? Liegt bei Vertretern die Original-Vollmacht bei?

  4. Agentur für Arbeit informieren: Melde dich innerhalb von 3 Werktagen arbeitssuchend, um Kürzungen beim Arbeitslosengeld zu vermeiden.

  5. Ggf. Betriebsrat kontaktieren: Frage nach, ob der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört wurde und ob er der Kündigung widersprochen hat.

  6. Beweise sichern: Kopiere wichtige Mails, sichere Protokolle und notiere Zeugen, bevor dein IT-Zugang gesperrt wird.

  7. Rechtliche Beratung einholen: Kontaktiere einen Anwalt für Arbeitsrecht oder deine Gewerkschaft, um die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage zu prüfen.

  8. Klagefrist wahren: Die Kündigungsschutzklage muss spätestens 3 Wochen nach Erhalt der Kündigung beim Arbeitsgericht eingegangen sein.

Ein Foto von Stefan Gerth

Autor: Stefan Gerth

Stefan Gerth ist einer der führenden Bewerbungsexperten im deutschsprachigen Raum. Seine Expertise fundiert auf einem Studium der Wirtschaftswissenschaften und über einem Jahrzehnt Erfahrung in der Betreuung und Beratung von Jobsuchenden. Als Geschäftsführer und Autor teilt er sein Fachwissen regelmäßig und ist darüber hinaus ein gefragter Interviewpartner für renommierte Medien und die Fachpresse (u.a. Spiegel & Business Insider). Als Speaker gibt er sein Wissen zudem live weiter, etwa auf dem Absolventenkongress oder diversen Karrieretagen.


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